Ende der 70er Jahre trafen in Frankfurt am Main eine Reihe junger Männer aufeinander. Fast alle stammten aus Käffern in der Provinz. Die meisten studierten Politik-, Sozial- oder Geisteswissenschaften, hatten gleichzeitig aber auch Freude an Literatur, Musik und Kunst. Einige drehten Filme, andere schrieben Prosa oder Lyrik, wieder andere fotografierten. Viele malten, manche studierten an der Städelschen Kunstschule. Und überall war selbst gemachte Musik.
68 war rund zehn Jahre vorbei und Bockenheim deshalb schon lange out. Stattdessen fand man sich in Lokalen im Norden ein. Allabendlich bei Herrn Reuter in der „Stalburg“, bei George im „Alten Laternchen“, in „Molly’s Pinte“ oder im „Finnegan´s“. Man dichtete gemeinsam, schrieb Manifeste und schmiedete Pläne. In Wohngemeinschaften in der Bornheimer Linnéstraße und in der Koselstraße im Nordend oder in Kellerräumen einer Kirchengemeinde fanden Off-Konzerte und Kunstaktionen statt.
Ab und an nahm man auch an legendären Kunstaktionen teil, wie dem „Shvantz“-Festival oder dem blutseligen Orgien Mysterien Theater von Hermann Nitsch. Es kam auch vor, dass sich im „Alten Laternchen“ jemand plötzlich auszog und sang und tanzte, nackt auf dem Tisch. Man hörte zum Beispiel sehr gern „London Calling“ von The Clash. Und eines Nachts, als George sie lange nach der Sperrstunde endlich hinauswarf, setzten sich vier aus der Gruppe in einen alten Ford. Und fuhren nach London, nur um nachzusehen, ob der Text von The Clash nicht nur Geschwätz war. Insgesamt war es eine sehr lustige Zeit.
Bands wie der „Punkfurt Astro Club“ oder „Diffusor Düse“ entstanden. Einer aus der Gruppe – Harry Heinen – stieg als Gitarrist bei den „Straßenjungs“ ein, damals die bekannteste Punkband im Land. Der Filmemacher Hans Böffgen dokumentierte vieles mit der Kamera. Sein Film „Lawinengefahr“ schaffte es sogar bis zur Berlinale. Dieter Hamm schrieb den Roman „Ruhige Männer“. Ich fotografierte manches, meist bei ganz schwachem Licht, immer ohne Blitz, grobkörnig schwarz-weiß. Berthold Steiger malte eine mehrere Meter hohe Maggiflasche auf Packpapier, die in einer viel beachteten Ausstellung glänzte. Walter Jotzo spielte Blues, mitunter zwölf Stunden am Stück.
Die Gründung der Gruppe „ZAH!“ im Sommer 1979 markiert den Ausgangspunkt dieser kreativ bewegten Zeit. Irgendwann Mitte der 80er Jahre war der größte Schwung vorbei. Der eine oder andere aus der Gruppe blieb auch danach durchgängig künstlerisch aktiv. Aber auch die, die eine kreative Pause einlegten – gern ein, zwei Jahrzehnte lang – kehrten irgendwann zu Musik und Malerei, Grafik, Film oder Fotografie zurück.
Sechs aus der Gruppe (Namen siehe oben) laden am 16. November 2019 (20 Uhr Aktionsabend) zum Tanz. Wer Nostalgie erwartet, bleibt bitte zuhause. Am folgenden Vormittag (11 Uhr) gibt’s eine Zugabe.
Harald Stoffels, im November 2019
Galerie Robert Mayer Zeigt, Robert-Mayer-Straße 49 HH, 60486 Frankfurt
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