Berthold Steigers Erinnerungen

….79 ist meine Ausbildung in der Professor Gottsteinklinik (Bürgerhospital) zu Ende… lauter Kranke und  so weiter…dann wird aufs Talent gesetzt und ich finde mich im Talentschuppen Städelschule wieder….Shvantzfestival, Nitsch und Bayrle, Orgien aus Blut und Autos, Erythrozyten in verschiedenen Kreislaufsystemen, wie mir klar wird, schießen mich in Umlaufbahnen, von denen ich gefühlt erst neulich zurückgekommen bin… in dieser Zeit kam Walter in mein Leben, Jotzo, schon mal ein guter Name, der ruhige rheinländische Pol in dem Durcheinander der Eindrücke dieser Zeit….wenn ich ihn besuchen will, öffnet ein besorgter Harry die Tür und sagt, dass er, Walter, seit morgens um sechs schon spielt, also 14 Stunden, hm, …Walter spielt ohne Unterbrechung und ernährt sich in dieser Zeit von Bier… ich mache dann mit und bekomme von Ihm das Gitarrespielen a la Johnny (Winter) beigebracht, gute Wahl… Walter hat dann eine Zeitlang wie eine japanische Fabrik Boxen, Musik,  gebaut, mir eine geschenkt und einen John Wayne Altar entworfen, der ist dann aber verschwunden… für die 86igste Aufführung Orgien Mysterien Theater wurden wir von Hermann (Nitsch) gecastet, beinah als Gekreuzigte, dann doch nur Orchester… am Ende der Veranstaltung haben wir 3 Gehirne mit nach Hause genommen und in die WG Badewanne zwischen gelagert… gute Idee das… die Anderen habens überlebt… Harry hat nicht so viel geübt, Gitarre, und war dann bei den Strassenjungs Gitarrist… der Erste, der Erfolg hatte und ein Lüftchen von Karriere hereinwehen ließ… wir hatten eher den Status Sonny Boy Williamson second… unbedingt genial aber ohne Zähne und Biss in Richtung Erfolg und Karriere… es wurde insgesamt höchstens eine Woche irgendwo gearbeitet und sofort gekündigt… Ideen hatten Vorrang und MUSSTEN verwirklicht werden… deshalb stand Harrys Karmann Ghia, Zweisitzer, die meiste Zeit ungefahren vor der Tür, weil kein Geld fürs Benzin… Einer, der sich auch gerne von Bier ernährt hat, war Dieter, (Hamm) der Bärenmaler….er malte die Bären in seiner winzigen Küche mit schrägem Dachfenster und manchmal waren wir 20 Männer und eine Frau in einem noch kleineren Schlafzimmer und haben uns die Bilder betrachtet,,, Dieter holt das Bier vom Wasserhäusi und kam mit kuhglockenklingender Plastiktüte zurück und versorgt seine Gäste, also er hat mit der Biertüte geläutet… einmal hat er sich absichtlich die Augenbrauen wegrasiert! Dieter und Walter waren auch Astroclub, elektronische Zementmusik, die auch mal in der Städelschule aufgeführt wurde…..Nyloneuter, Astroclub antichristliche Gummizelle etc, Dieter wollte sofort nach Auftritt seine Gage,,, Grund siehe oben… mit Harald wollten wir mal beinah eine Kunstzeitung machen weil Harald ein gutes Fotoauge hat und Hermann, bestimmt auch was dazu beigetragen hätte, mit ihm konnte man auch gut essen und trinken, also Nitsch, und Fotoauge siehe Ausstellung…. ansonsten habe ich von Haralds geplanten Rotlichtpartys erfahren von denen ich dann aber nichts mehr gehört habe weil ich kurzzeitig in die dünne Luft der konkreten Malerei (malen nur mit einer Farbe auf Holzbretter) verdampft war… Hans Peter war der Koch von14 Stunden lange schmorgelden Hammelkeulen, auch 14 Stunden, die mit 30 Knoblauchzehen versetzt waren und mit russischem Zitronengraswodka blanchiert wurden… beim Essen gabs dann richtig Krach mit Walter, Raffeiner, ein anderer Walter, der leider nicht mehr unter uns lebt. Walter, also der andere, der Opernsänger, vertrug keinen Alkohol, hat ihn aber trotzdem gesoffen wie Wasser oder wie Kirschlikör und hat dann grundlos seinen besten Freund HP als Versager und als sonstnochwas beschimpft, Gedenkminute!  Wie die sich dann wieder vertragen haben und trotzdem einen Film nach dem anderen, wie eine japanische Fabrik, gedreht haben… bleibt ein Rätsel. Das war dann aber viel später und gehört eigentlich nicht Frankfurt 79 hierher… MEIN echtes Problem mit Walter, nicht dem Opernsänger, ist, dass er mich mit dem rheinländischen Singsang ansteckt…. ich als Urhesse mich auflöse und als gemütvoller Rheinländer wieder materialisiere und dann auch, so Richtung Satzende, torkelnd spreche… probieren Sie das mal aus und sprechen Sie mal ein paar Sätze mit ihm…

VITA Berthold Steiger

1954: geboren

1976 – 79: Krankenpfleger in der Klinik Professor Dr. Gottstein (Bürgerhospital)

1979 – 84: Aufenthalt Städelschule bei Bayrle (Autos), Nitsch (Blut), Jochims (monochromes Brett)

1994 – 2015: Obdachlosenunterkunft für schwerst Drogenabhängige (harm reduction, Sozialarbeit)

Menü schließen